Autorinnen: Cara, Fiona, Emma
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Eine der großen ethischen Fragen der Welt ist die Frage nach der Freiheit. Dabei spalten sich die Meinungen in zwei große Gruppen auf. Die Deterministen und die Indeterministen. Der Determinismus ist die Lehre, die der Willensfreiheit widerspricht und von der kausalen Vorbestimmtheit einer Ursache durch innere und äußere Einflüsse (wie Gene, frühkindliche Erziehung/Erlebnisse) spricht.
Deterministen sind überzeugt von der Tatsache, dass alles vorhersagbar wäre, wenn nur alle Details des Lebens und der Naturgesetze und Ereignisse bekannt wären. Dann könnte ein Supercomputer jeden Zeitpunkt der Zukunftskette berechnen. Es geschieht nichts zufällig, sondern ausschließlich durch das Schicksal. Naturgesetze legen unsere Handlungen und die Ereignisse in einen Rahmen und sind die existierenden Gesetze, wie die Gravitation. Ereignisse geschehen unabhängig von Naturgesetzen und sind kausal vorherbestimmt, liegen also bereits vor der Geburt in einer Kausalkette vor.
Die Deterministen spalten sich noch einmal in Inkompatibilisten, die durch den harten Determinismus keine Möglichkeit sehen, dass Determinismus und Willensfreiheit kompatibel sind und in Kompatibilisten, die durch den weichen Determinismus eine Verbindung zur Willensfreiheit schaffen, indem sie sagen, dass die determinierenden kausalen Ursachen nur äußere Ursachen sind und somit die Möglichkeit eines freien inneren Willens besteht. Im Bezug auf die Handlungsfreiheit sind sie sich einig, dass diese nach ihrer Vorstellung nicht bestehen kann.
Der Indeterminismus ist die Lehre vom freien Willen, der gar nicht oder nur bedingt von Naturgesetzen und anderen Einflüssen bestimmt ist. Indeterministen sind der Meinung, dass sowohl die Willens- als auch die Handlungsfreiheit existiert und immer mehrere Handlungsmöglichkeiten zur Wahl stehen. Außerdem sind sie fest davon überzeugt, dass man auch nach einer getroffenen Wahl sich für die andere Möglichkeit hätte entscheiden können.
Allerdings kennen sie auch die Situation, die bedingt die Handlungsfreiheit einschränkt und nicht dem Normalfall entspricht. Eine solche Erfahrung ist sehr schmerzhaft für den Indeterministen. Um diese Erfahrung zu erklären, sind zwei Begriffe wichtig. Die positive Freiheit, ist die Freiheit „wozu“, sie beruht also nicht auf Bindungen. Der Determinist erkennt diese Freiheit nicht, während der Indeterminist von ihr überzeugt ist. Die negative Freiheit „wovon“ besagt, dass Bindungen bestanden, die erst gelöst werden mussten, um diese Freiheit zu erlangen. Im Determinismus existiert auch diese Freiheit nicht. Im Indeterminismus wird hier im Normalfall die Freiheit erkannt, aber hier sind die schmerzhaften Erfahrungen zu verorten. Die Handlungsfreiheit wird in diesen Situationen von den Bindungen eingeschränkt und Indeterministen sagen, dass eine fremde Macht durch sie handle oder jene Handlung nicht sie seien.
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Für die Frage der Schuld ist also wichtig zu klären, auf welche Art von Freiheit wir uns stützen sollen. Würden wir von einem harten Determinismus ausgehen, könnte man die Untersuchungen jetzt beenden, den die Antwort auf die Frage wäre, dass es weder Schuld noch Verantwortung geben kann und das wiederum würde die Frage nach dem Recht und der Gerechtigkeit erübrigen. In den weiteren Überlegungen nehmen wir also immerhin einen weichen Determinismus an, wie es auch unser heutiges Rechtssystem tut, der die Determination durch Gene und frühkindliche Erziehung/Erfahrung nicht ausschließt, aber neben diesen äußeren kausalvorherbestimmten Ursachen die Möglichkeit des freien inneren Willens aufrechterhält.
Sartre sagte, sei dazu verurteilt, frei zu sein. Und wer frei ist, hat auch Verantwortung. Warum wir überhaupt Verantwortung haben, begründet Hans Jonas mit der Evolution: Die Natur erschafft das Leben und nutzt jede sich bietende Möglichkeit zu Weiterentwicklung, die aber stets zufällig passiert. Deswegen bestehen zwischen den Menschen und den Tieren nur graduelle und keine prinzipiellen Unterschiede. Die größte Gemeinsamkeit aller Lebewesen sieht Jonas im Selbsterhaltungsstreben, dass jedem Lebewesen innewohnt. Er leitet daraus die Folgerung ab, dass das „Leben dem Nicht-Leben gegenüber Vorrang hat“. Jedes Lebewesen sagt also „Ja zum Leben“ und da die Natur das Leben erschafft, ist diese Aussage eine „Selbstbejahung der Natur“. Daraus ergibt sich auch Jonas Theorie, wie man vom Sein des Menschen auf das Sein-Sollen schließen kann. Er beschreibt es mit seinem Eltern-Kind-Beispiel, dass sich auf die jetzige und die zukünftige Generation beziehen lässt. Die Theorie besagt, dass die Eltern verantwortlich sind für das Baby, weil dieses keinen Widerspruch zulässt. Das Baby ist nicht unwiderstehlich, aber man kann der Aussage, dass das Baby als von der Natur erschaffenes Leben Vorrang gegenüber dem Nicht-Leben hat und ohne die Verantwortungsübernahme der Eltern sterben würde. Dabei würden die Eltern rückbezüglich gegen das Selbsterhaltungsstreben jedes Lebewesens handeln und das Fortbestehen der Gattung Mensch riskieren. Deswegen macht das Baby die Eltern verantwortlich. Im Großen und Ganzen bedeutet das, dass die Natur Leben erschafft und sich durch das angeborene Selbsterhaltungsstreben, wie das Baby, unwiderstehlich macht für die erschaffenen Lebewesen, die dadurch automatisch Verantwortung tragen müssen für die Natur.
Aus alldem entwickelte Jonas seinen neuen kategorischen Imperativ: „Handle so, dass die Wirkung deiner Handlung verträglich ist mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf der Erde.“ In diesem neuen kategorischen Imperativ zeigt sich die neu entwickelnde Ethik im Gegensatz zur traditionellen Ethik. Jonas sagt, dass die alte Ethik, welche auch als Nahethik oder Präsenzethik bezeichnet wird, „nicht mehr ausreicht“. Er entwickelt ergänzend, jedoch nicht ersetzend, die Verantwortungsethik, die auch als Fernethik oder Zukunftsethik bezeichnet wird. Die Unterschiede der Beiden zeigen sich im Verantwortungsobjekt, dass früher ein einzelnes Individuum darstellte und jetzt das Kollektiv sein soll sowie im Verantwortungsbereich (Raum‑, Zeit‑, Personenhorizont), der früher ein überschaubarer Bereich mit absehbaren Wirkungen war, die Gegenwart umfasste und nur die aktuell lebenden Menschen im direkten Umfeld betraf und jetzt als global, also für die Welt und das Universum, verstanden wird, auch die Zukunft einschließt und alle Menschen weltweit und die zukünftigen Generationen umfasst.
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Der Mensch hat also eine gewisse Freiheit und dadurch Verantwortung. Er kann also, wenn er unverantwortlich handelt, schuldig gesprochen werden. Aber wer oder was entscheidet, was rechtens ist und was nicht? Der dritte zu klärende Begriff ist also das Recht, dass sich über die Jahre in seiner Bedeutung entwickelt hat. Zu Beginn gab es nur das Naturrecht, das sogenannte vorstaatliche Recht, das zu jeder Zeit und an jedem Ort gilt und die Legitimität eines Staates begründet. Es ist moralisch verbindlich und ewig gültig. Es darf also nicht entzogen oder beschränkt werden, wie heutzutage unsere Grundrechte oder die Menschenrechte. Diese Naturgesetze haben viele Urheber. Religiös betrachtet ist es Gott oder für Atheisten kommen sie zum Beispiel aus der Natur oder dem Verstand. Vorteile des Naturrechts sind Humanität, es ist moralisch nachvollziehbar und dadurch gut vertretbar oder aber auch, dass man nach den inneren Einstellungen handelt für das höchste Ziel, dass im höchsten Glück liegt. Nachteile des Naturrechts sind die Rechtsunsicherheit und die Willkür, die sich einstellen können, da die Urheber des Rechts zweifelhaft sind. Außerdem ist es subjektiv und schwer weltweit umsetzbar, da verschiedene Kulturen auch verschiedene Moralbegriffe haben, an das sich aber das Naturrecht bindet.
Die Gegenbewegung, die später hinzukam, ist der Rechtspositivismus, der vom Menschen gemacht ist und zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gilt. Er begründet die Legalität eines Staates und ist rechtlich verbindlich. Er ist zeitlich befristet und kann geändert und beschränkt werden. Beispiele aus unserer heutigen Gesellschaft sind das Strafgesetzbuch oder das Bürgerliche Gesetzbuch. Da es meschengemacht ist, ist der Urheber der Gesetzgeber. Vorteile des Rechtspositivismus sind die Rechtssicherheit und die absolute, legale Rechtsform. Es ist also nicht möglich, dass zum Beispiel ein Richter nach „eigenem Ermessen“ handelt, da er an das Gesetz gebunden ist. Nachteile sind, dass diese Rechtsform oft als inhuman bezeichnet wird, weil sie den Rechtsinhalt nicht berücksichtigt. Die Moral hat keinen Stellenwert. Genauso wenig wie die Einschränkungen eines Einzelnen. Der Rechtspositivismus ist utilitaristisch veranlagt, das bedeutet, dass er nur auf die Folgen einer Handlung achtet und nicht auf die Motive oder Ursachen. Dadurch können verbrecherische Gesetze verabschiedet werden, die lex corrupta, wie es in der NS-Zeit und in weiteren Diktaturen der Fall war und ist. Auch unser Rechtssystem durchlief diese Phasen, aber in Deutschland kam es zu einer Symbiose der beiden Rechtsformen und das positive Recht entstand, das beide Denkweisen vereint. Trotzdem ist auch das positive Recht nicht das Ende: Mit den Vorteilen der beiden Rechtsformen übernimmt es natürlich auch ihre Nachteile.
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Wenn man von Recht spricht, ist der Begriff der Gerechtigkeit unausweichlich. Denn was nützt das Recht, wenn es nicht gerecht ist? Aber was ist die Gerechtigkeit? Ist sie ein fester Bestandteil, wie ein Naturgesetz (z.B.: Gravitationskraft) oder entwickelt er sich stets weiter, wie auch das Recht? Die beiden Begriffe sind untrennbar miteinander verbunden, dass erkannte auch schon Joseph Joubert. Vielleicht liefert er uns die Antwort, indem er sagt: „Man glaubte früher, dass die Gerechtigkeit nicht aus dem Gesetz kommen sollte, sondern das Gesetz aus der Gerechtigkeit.“ Er ist also der Meinung, dass das Recht sich wandelt und aus dem sich wandelnden Rechtsbegriff immer eine neue Gerechtigkeit entwickelt wird. Dies würde bedeuten, dass die Gerechtigkeit auch menschengemacht ist und das wiederum nimmt William Gaddis auf, indem er sagt: „Gerechtigkeit gibt es im Jenseits, hier auf Erden gibt es das Recht.“ Denn wenn wir das Recht machen und der Gerechtigkeitsbegriff dann mit dem wandelbaren Rechtsbegriff einhergeht, das Recht automatisch gerecht ist, brauchen wir den Gerechtigkeitsbegriff nicht als eigenständiges Element. Und vielleicht existiert dann die wahre, nicht beschränkbare und ewige Gerechtigkeit erst im Leben nach dem Tod?
Aber es gibt auch andere Meinungen. Zum Beispiel Aristoteles, der die Gerechtigkeit als größte Tugend im Staat ansah und sie in die ausgleichende (korrektive) und austeilende (distributive) Gerechtigkeit untergliederte. Erstere spielgelt das Verhältnis zwischen zwei Gleichgestellten wieder, zum Beispiel bekommt der Käufer auf dem Markt vom Verkäufer einen Apfel für 30ct, was einen gerechten Austausch darstellt. Zweiteres ist das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft, zum Beispiel zahlt der Bürger Steuern und erhält dafür vom Staat Schutz, Instandhaltung der Infrastruktur usw. Wir verbinden mit dem Gerechtigkeitsbegriff außerdem die allegorische Figur der Justitia, welche durch drei Merkmale charakterisiert wird. Erstens durch ihre Augenbinde, die zeigen soll, dass sie gerecht handelt, ohne auf das Äußere zu achten und so jeder Mensch vor Gericht gleich ist. Weiterhin die Waage, die für das gerechte Strafmaß steht und zeigt, dass sie die guten gegen die schlechten Taten abwägt. Und zum Schluss das Schwert, das die Härte der Strafe versinnbildlicht, für die Verurteilung steht und gleichzeitig das Symbol dafür ist, dass die Gerechtigkeit verteidigt wird.
Der Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit ist sehr wichtig, Recht ist der Wille, gerecht zu handeln, umfasst alle Gesetze und Verhaltensregeln und stellt die Garantie für ein angenehmes Zusammenleben dar. Gerechtigkeit hingegen ist die Umsetzung des Rechts und ein Indikator dafür, ob Gleichbehandlung besteht und schafft somit durch die Gleichbehandlung und ein angenehmes Zusammenleben.
Man sieht also: Damit ein Richter überhaupt den Hintergrund hat, um die schwere Frage zu klären, ob ein vermeintlicher Straftäter schuldig ist, mussten viele Fragen geklärt werden. Gibt es Freiheit? Haben wir und wenn ja, warum haben wir Verantwortung? In welchem Rechtssystem wollen wir leben und gibt es Gerechtigkeit? Diese Fragen werden immer noch diskutiert, weswegen auch unser Rechtsystem keinesfalls stillsteht, sondern der extensiven und intensiven Debatte unterliegt und in diesem Diskurs fortlaufend Entwicklungen durchgeht.
Was ist deine Meinung zu diesen großen Fragen?
Mit einem konkreten Beispiel wird in den folgenden Posts deine Position auf die Probe gestellt.